Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zählt die Fahrt des Arbeitnehmers von seiner Wohnung zum Arbeitsplatz im Betrieb des Arbeitgebers nicht zur Arbeitszeit. Aber handelt es sich um Arbeitszeit, wenn der Arbeitnehmer von zuhause nicht zum Betrieb des Arbeitgebers, sondern direkt zum ersten Klienten oder Kunden fährt? Oder umgekehrt, wenn der Arbeitnehmer vom letzten Einsatzort nach Hause fährt? Diese Fragen stellen sich bei mobilen sozialen Diensten, z.B. in der Jugendhilfe, bei betreutem Wohnen oder in der Pflege, ebenso wie bei Außendienstmitarbeitern oder Servicetechnikern. Kommt es dann darauf an, ob die Entfernung zwischen Wohnung und erstem oder letztem Arbeitsort größer ist als die Entfernung zum Betrieb? Das Bundesarbeitsgericht sagt: Nein.
Die Fahrt zum ersten Einsatzort und auch die Fahrt vom letzten Kunden nach Hause gehört nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Arbeitszeit, die vergütungspflichtig ist (z.B. Urteil v. 18.03.2020 – 5 AZR 36/19). Das gilt unabhängig davon, ob die Entfernung von der Wohnung zum Betrieb größer oder kleiner ist als vom ersten oder letzten Einsatzort. Aber es gibt Gestaltungsmöglichkeiten. Durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag kann für die Fahrtzeiten eine andere Vergütung als für die eigentliche Arbeitstätigkeit vereinbart werden. Eine Vergütung der Fahrtzeit kann auch ganz ausgeschlossen werden, sofern der gesetzliche Mindestlohn für die gesamte Arbeitszeit einschließlich der Fahrtzeit nicht unterschritten wird. Das bedeutet: Bei der Berechnung des gesetzlichen Mindestlohns oder des Pflegemindestlohns sind die Fahrtzeiten zwischen Wohnung und erstem bzw. letztem Kunden als Arbeitszeit vergütungspflichtig. Die Vergütung, geteilt durch die Arbeitszeit einschließlich der Fahrtzeiten, muss mindestens den gesetzlichen Mindestlohn ergeben.
Für Betriebsräte ergeben sich Gestaltungsmöglichkeiten bei den Regelungen zur Arbeitszeit und der betrieblichen Vergütungsordnung. Dabei muss der Vorrang tariflicher Regelungen beachtet werden.
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