Erfurt. In einem kürzlich bekannt gewordenen Urteil vom Mai dieses Jahres hat das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung bestätigt, nach der Überstunden bei einer entsprechenden Vereinbarung nicht gesondert zu vergüten sind. Der Kläger verlangte von seinem ehemaligen Arbeitgeber Überstundenvergütung in Höhe von 18.000 €. Die Klage wurde von den Arbeitsgerichten in allen Instanzen abgewiesen.
Bei Vertragsschluss verwendete der Arbeitgeber eine Arbeitsvertragsklausel, nach der bei der vereinbarten Grundvergütung die ersten 20 Überstunden im Monat „mit drin" seien. Erst ab der 21. Stunde wurden die Überstunden mit einem Zuschlag von 25% vom Arbeitgeber gesondert bezahlt. Der Kläger hielt die Klausel im Arbeitsvertrag für unwirksam und verlangte die gesonderte Vergütung aller von ihm geleisteten Überstunden.
Das BAG wies die Klage, wie auch schon die Vorinstanzen, ab. Die Klausel im Arbeitsvertrag sei nicht überraschend im Sinne von § 305c BGB. Zum einen sei es im Arbeitsleben weit verbreitet, dass Arbeitgeber versuchten, Überstunden pauschal abzugelten. Die Klausel sei daher nicht ungewöhnlich. Zum anderen ergab auch der zu entscheidende Fall keine besonderen Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitnehmer bei den Vertragsverhandlungen mit der streitgegenständlichen Regelung nicht zu rechnen brauchte. Die Klausel sei daher Vertragsbestandteil geworden.
Die Formulierung, in der vereinbarten Vergütung seien die ersten 20 Überstunden im Monat „mit drin", sei auch klar und verständlich. Mit der vereinbarten Vergütung waren eben nicht nur 173 Stunden (40-Stunden-Woche), sondern bis zu 193 Stunden abgegolten. Der Arbeitnehmer habe aufgrund der Formulierung schon bei Vertragsschluss gewusst, was auf ihn zukommt. Daher verletze die Klausel nicht das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB.
Der Senat verzichtete auf eine weitere Inhaltskontrolle nach AGB-Recht. Die Klausel betreffe ausschließlich die Gegenleistung des Arbeitgebers für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung. Folglich handele es sich um eine sog. Hauptleistungsabrede, die gem. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB nicht der Inhaltskontrolle unterliegt. Es sei nicht Aufgabe des Gerichts, über das in den §§ 305 ff. BGB geregelte AGB-Recht den „gerechten Preis" für die Arbeitsleistung zu ermitteln.
Etwas anderes kann möglicherweise dann gelten, wenn in einem Formulararbeitsvertrag die (pauschale) Vergütung von Überstunden gemeinsam mit der Befugnis des Arbeitgebers, überhaupt Überstunden anordnen zu dürfen, geregelt würde. In einer solchen Gestaltung sah das LAG Hamm bereits in zwei Entscheidungen aus 2007 und 2009 jeweils eine unzulässige Preisnebenabrede (Urteil vom 11.7.2007 - 6 Sa 410/07 sowie Urteil vom 18.3.2009 - 2 Sa 1108/08). Das BAG hat in dieser Frage bislang noch nicht entschieden.
Wie sich die umstrittene Klausel effektiv für den Arbeitgeber auswirkte, zeigt die folgende Überlegung. Bei einem Überstundenzuschlag von 25% hätte der Arbeitnehmer mehr als 80 Überstunden im Monat leisten müssen, damit sich der Zuschlag auch tatsächlich als solcher bemerkbar macht. Dafür hätte der Mitarbeiter wöchentlich an die 20 Überstunden leisten müssen, was bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Wochenstunden und einem Bruttolohn von knapp 2200 € nicht nur personalpolitisch schwer verantwortbar gewesen wäre, sondern auch zu Kollisionen mit den Regelungen des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) geführt hätte. Bei der vereinbarten 40-Stunden-Woche und der gewählten Vertragsgestaltung zur Überstundenvergütung konnte der Arbeitgeber deshalb damit rechnen, Überstunden in aller Regel nicht gesondert bezahlen zu müssen.
Das BAG bestätigt mit dieser Entscheidung seine Linie, die einen durchaus weiten Gestaltungsspielraum für Überstundenregelungen in Formulararbeitsverträgen lässt. Dennoch ist auf Arbeitgeberseite bei der Formulierung von AGB-Klauseln gehörige Vorsicht geboten, um nicht ungewollten und unvorhergesehenen Vergütungsansprüchen für bereits geleistete Überstunden ausgesetzt zu sein. Dies zeigt nicht zuletzt auch eine BAG-Entscheidung vom 22. Februar dieses Jahres, in der ein Arbeitgeber in einem ähnlich gelagerten Fall wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB nachträglich Überstundenvergütung in beinah fünfstelliger Höhe nachzuzahlen verurteilt wurde (Az.: 5 AZR 765/10).
Die Entscheidung: BAG, Urteil vom 16.5.2012, Az.: 5 AZR 331/11.
